Wommelsdorf und Schulz zum Quadrat
In der raumfüllenden Klanginstallation von Ingo Schulz und Heiko Wommelsdorf in der Städtischen Galerie Kubus in Hannover werden die Horizontale und die Vertikale des Raumes unterschiedlich bearbeitet.
Während die Wände der Galerie durch quadratische Akustikdämmplatten visuell eine horizontale Linie bilden, wird auditiv die Vertikale fokussiert.
Mit Hilfe von sechs quadratischen Lautsprechern, die in den Tageslichtspots der Decke montiert sind, wird unterschiedliches Rauschen in den Raum gelenkt. Mit der Bewegung des Rezipienten durch den Raum werden die Rauscharten Weiß, Rosa, Rot, Blau, Violett und Schwarz erfahrbar. Je nach Standort nimmt man das Rauschen reflektiert von der Decke, den Wänden bzw. dem Fussboden wahr.
Aufgrund des selbstbestimmten Durchgehens des KUBUS wird eine Komposition hörbar, deren Anfang und Ende, Bewegung/Richtung, Komplexität oder Minimalismus je nach Position variieren.
Die ehemalige Heerstraße nach Celle ist die nördliche Grenze des Parcours klangstaetten | stadtklaenge 2017. Um vom idyllischen Kreuzfriedhof zu den Pfarrkirchen der in den Focus genommen Friedhöfe oder in die Innenstadt zu kommen, ist es notwendig die Okerumflut an dieser „Schallbarriere“ zu queren. Die Okerbrücke wird dominiert von einem kaum abreißenden Verkehrsstrom und seiner Geräuschkulisse.
Ingo Schulz, Leiter des Labor für Klangkunst an der HBK-Braunschweig, macht mit seiner Intervention darauf aufmerksam: Seine Arbeit konzentriert sich ausschließlich auf die Visualisierung des idealen physikalischen Verhaltens von Klang und seiner wellenförmigen Ausdehnung. Als stille Arbeit korrespondiert sie mit der Arbeit an der Ferdinandbrücke, dem südlichen Okerübergang des Parcours (Zwischenort b).
Auf der hier meist glatten Wasseroberfläche wird sich ein etwa 50 Meter langes und über die gesamte Breite der Oker verlaufendes Feld von Wellenringen ausbreiten. Sie entstehen mehr oder weniger zufällig durch Einbringen von Luftblasen. Ringwellen breiten sich aus, irritieren und beeinflussen sich gegenseitig und verschmelzen zu immer anderen Mustern. Der Straßenlärm bekommt eine neue Qualität durch das Hören des stillen Blubberns.
Sieben handelsübliche Kreisregner auf Stativ, wie sie im Gartenbau und in der Landwirtschaft zur Bewässerung eingesetzt werden, stehen in einem kleinen Gartenpavillon in den Herrenhäuser Gärten. Im Kreis angeordnet rotieren sie auf dieser barocken Bühne langsam um ihre eigene Achse, umgeben von streng geschnittenen Hecken und Kieswegen.
Anders als üblich, werden diese Regner nicht für die Bewässerung der Pflanzen in den Herrenhäuser Gärten eingesetzt – mangels Wasseranschluss sind sie ihrer eigentlichen Aufgabe beraubt. Dennoch „tanzen“ sie im Sonnenlicht auf eine geradezu stoische Weise immer um sich selbst, angetrieben von der Energie der Sonne mittels Solarzellen und einem Exzenter – unermüdlich und vermeidlich vergeblich. Denn was sie produzieren sind rhythmische Klack-Geräusche. Jeder Regner ein eigenes Klack. Alle gemeinsam bilden ein polyrhythmisches, mehrstimmiges Stück.
Trockenübung löst die Form von seiner Funktion und stellt dabei die Bewegung und das Geräusch frei. Auf der kleinen runde Bühne des Gartenpavillons agieren die sonst so fleißigen Wasserspender ihrer Funktion beraubt ganz autonom im Licht der Sonne
Über Dauer, Flüchtigkeit und Zerfall
Das Objekt BIG BANG bringt verschiedene Aspekte von Zeitlichkeit zusammen: Dauer, Flüchtigkeit und Zerfall.
Der tonnenschwere, schwedische Diabas hat seine Entstehung vor über 200 Millionen Jahren und steht für Stabilität und Dauer. Aus Sicht des Bildhauers ein widerständiges Material, das mit entsprechendem Kraftaufwand aber durchaus formbar ist. In diesem Fall entlockt der Künstler Ingo Schulz ihm keine Figur, sondern seinen eigenen Klang, eine höchst flüchtige, zeitbasierte Äußerung. Ausgelöst durch einen kleinen Hammer, der den Stein anschlägt. Der Impuls dafür speist sich aus dem „Ohr“ des Künstlers, das als Abformung aus Ton mit einem Geigerzähler verbunden ist. Dieser misst die natürliche Umwelt-Radioaktivität.
Jedes radioaktive Zerfallsmoment der näheren Umgebung, das dem Künstler zum „Ohr“ kommt, löst einen Impuls aus, der den schweren Stein zum Klingen bringt – für kurze Zeit, bis die Schallwelle in sich zusammenfällt.
Dialog im Innenohr
24/05–22/06/2014
Auf den ersten Blick erscheint die Ausstellung des Braunschweiger Bildhauers und Klangkünstlers sehr reduziert: Visuell entdeckt man die Büste des Künstlers auf einem weißen Sockel und ringsherum drei weiße gerahmte Bilder im Raum für Freunde. Eine Komplexität verbirgt sich im Zusammenhang der wenigen Elemente. Die Leinwände werden bei genauerem hinhören zu Klangerzeugern und die Büste des Künstlers entpuppt sich zu einem sogenannten Kunstkopf wie er schon in den Tonstudios der 70er Jahre Anwendung fand.
Der Betrachter betritt den Ausstellungsraum und wird zum Teil eines Systems. Er hört das in die Rahmen reproduzierte Audiomaterial bestehend aus narrativen Anteilen, experimentellem Hörspiel, Atmosphären und Situationen. Räumlich gesehen bildet der Kopf das Zentrum der Installation. Technisch nimmt der Kunstkopf die im Raum befindlichen Töne auf, die sich mit den Gesprächsfetzen und Bewegungsgeräuschen des Besuchers sowie den „Klangbildern“ mischen. Im „Innenohr des Kunstkopfes“ wird die so entstehende Klangmelange „wahrgenommen“ und per Sender an einen sich im Raum bewegenden Empfänger übermittelt. Vermengt mit den akustische Entäußerungen der Besucher zeichnet der Kunstkopf in endloser Weise die Akustik des Raumes in seinem digitalen Gedächtnis nach und speist das „Erfahrene“ via Transmitter in das letztlich selbstreferenzielle System ein. Im Ergebnis entsteht immer wieder etwas Neues, gewissermaßen eine Hybridform aus Selbstgespräch und Dialog, bei dem die einzelnen Elemente – so auch der Besucher – sowohl zum Sender als auch zum Empfänger werden. Nach und nach löst der Klang sich immer weiter auf und mischt sich mehr und mehr mit den klanglichen Eigenschaften des Raumes. Damit rekurriert die Installation auch auf klangkünstlerische Vorläufer, wie Alvin Luciers Arbeit „I am Sitting in a Room“ (1969). In Alvin Luciers Arbeit übereignet der Künstler durch Repetition die eigenen sprachlichen Eigenschaften, die sich zusehends auflösen, an den Raum, der sich zusehends manifestiert. Es findet eine Transformation statt. In der Installation von Ingo Schulz geschieht etwas Ähnliches. Der stete Wechsel zwischen Sender und Empfänger geht soweit, dass wir uns gleichzeitig außerhalb und innerhalb des künstlichen Kopfes befinden.
Während des Studiums der Bildhauerei an der Hochschule Hannover hat Ingo Schulz den Materialklang als künstlerisches Mittel entdeckt.
Durch akustische Untersuchungen an Natursteinen entwickelte er mit dem kostbaren Black Ebony aus Schweden seine Klangskulpturen.
Seither ist eine Sammlung von ganz unterschiedlichen steinernen Objekten entstanden. Bei einigen reichten minimale Eingriffe in die Naturform für eine klangliche Definition, bei anderen wurden umfangreiche bildhauerische Eingriffe vorgenommen. Allen Objekten gemeinsam jedoch ist die differenzierte Suche nach Materialresonanzen.
Die so entstandenen idiophonen Skulpturen benötigen nur eines kleinen Impulses von außen, der sie auf spezielle Weise elektrisch anregt und dadurch erklingen lässt.
Auf der hellen Kiesfläche des Japangartens im Kunstmuseum Wolfsburg, werden fünf ausgewählte schwarze Klangkörper exakt platziert und treten für zwei Wochen, optisch und akustisch mit dem Atrium in einen ganz besonderen Dialog.