Galerien-Rundgang
Zeitungsartikel von Simon Baur «Galerien-Rundgang», erschienen in der bz Basel am 15.11.2014
Im neu eröffneten «Kunstraum Florenz» auf dem Dreispitzareal zeigt Karin Aeschlimann neuste Arbeiten. Es ist Malerei auf Leinwand, wobei diese nicht auf ein Chassis gespannt, sondern direkt an die Wand genagelt wird. Es sind ganz unterschiedliche Motive zu sehen, und man spürt den starken Willen, in allen Bereichen abstrakter Malerei zu experimentieren. Oft fühlt man sich an eine bestimmte Strömung erinnert und denkt an Geometrie, informelle Kunst oder monochrome Malerei. Man erkennt aber, dass es dies nicht ist, sondern versucht solche Möglichkeiten als Anfänge zu nutzen, um Malerei weiterzudenken. Es braucht Mut, solche Zwischenstadien zu zeigen, doch sie illustrieren das existenzielle Bestreben Karin Aeschlimanns, das Entwicklungsfeld von Malerei und Zeichnung zu intensivieren. Wie sie unterschiedliche Strukturen im gleichen Bild behandelt, die Oberfläche mit einer unbekannten Dynamik belegt und den Umgang mit Bildrändern auslotet, überzeugt und macht Lust auf mehr. Karin Aeschlimann ist im aktuellen Malereidiskurs in dieser Stadt eine der innovativsten Künstlerinnen, die nicht nur technisch brilliert, sondern es auch versteht, Malerei intellektuell in neuen Dimensionen zu denken. Selten haben wir Malerei in den vergangenen Jahren derart innovativ und unprätentiös erlebt.
Simon Baur, 2014
Text von Thomas Keller zur Ausstellung «feldein», Kunstraum Florenz, Basel, 2014
Karin Aeschlimann - «feldein»
Ein Hauch einer Farbschicht, verschlungene Wege, helle Lichtungen - dunkle Abgründe - und viel dazwischen. Die Arbeiten der Malerei von Karin Aeschlimann hängen an der Wand - und doch auch nicht. Sie sind im Raum und formen ihn zugleich - sie gehen weit über den Bildrand hinaus und fordern auf, einzutreten. Karin Aeschlimann malt mit Acryl und Gouache oder auch mal mit chinesischer Tusche auf der rohen, unbearbeiteten Leinwand - direkt auf dem Leintuch. Ein abstrakter Ausdruck, der sich ständig erweitert: in früheren Werken sind es mehr Farben und Flächen, die sich zudem verstärkt symmetrisch aufeinander beziehen. In späteren und vor allem aktuellen Arbeiten wird die Handschrift zunehmend radikaler. Farben werden weniger, manchmal bestehen nur noch schwarze Elemente auf dem weissen/beigen Hintergrund der Leinen - die Formen sind reduzierter, es entsteht ein erweiterter Raum - in vielschichtigen, scharfen Kontrasten - die Strukturmotive treten in den Vordergrund, zum Teil nur noch einzelne Fraktal-Elemente - sonst nichts. Hinzu kommt, dass die Symmetrien langsam verschwinden. Die letzte narrative Grösse - die Symmetrie selbst - wurde von Aeschlimann langsam aufgegeben - und reduziert auf minimalste, grundlegendste Strukturen: nie abgeschlossene Strukturen des Lebendigen in ihren visuell-vielschichtigen Verdichtungen eröffnen einen neuen experimentellen Raum. Ganz unerwartet und überraschend kann aber auch jederzeit ein Richtungswechsel der Radikalität ihrer Handschrift hin zum gegenüberliegenden Pol eine nächste Phase einläuten - eine ständige Bewegung - ein ständiges Werden. Falten und unterschiedliche Texturen der Leinenoberfläche bilden eine zentrale Ausgangslage im Prozess ihres Schaffens. Das Experimentieren mit dem Leinen-Material selbst verfolgt Aeschlimann schon lange - undesverstärkt schon auf der physischen Ebene den räumlichen Anspruch ihrer Arbeiten. Diese physische Tiefe erweitert die ästhetische Dimension von Räumlichkeit, die in ihren Werken herausfordert - und zur Immersion einlädt. In der Werkschau von Karin Aeschlimann setzen wir den Schwerpunkt auf ihr aktuelles Schaffen - hauptsächlich werden neue, noch nie gezeigte Werke präsentiert. Ihre zunehmend kompromisslosere abstrakte Ausdrucksweise bündelt sich in filigranen Falten und Schatten, zerrissenen Farbschichten und Leintuch-Fetzen, minimalsten Farbaufträgen und spannungsgeladenen Kontrasten, über- und ineinander geschichteten Strukturen - kurzum in einer Form von Raum, auf die man gespannt sein kann.
Thomas Keller, 2014
FABRIKculture – Ausst. Et si on parlait d’autre chose
16.03.-21.04.2013
Karin Aeschlimann (*1981), Tashi Brauen (*1980)
Karin Aeschlimann présente des peintures en grand format, toiles sans cadre, accrochées à même le mur et une dizaine de petites aquarelles sur papier. Son travail est un jeu subtil entre construction et dissolution. Des traces de couleur qui sans arrêt échappent à la gravité. Les couches de peinture, se superposent, se mélangent, se coulent sur la toile et pénètrent dans le support. L’oeil cherche en vain le centre de la composition. L’artiste contrôle le flux de ces empreintes sur la surface et nous entraîne dans un paradoxe où profondeur et mise à plat cohabitent.
Laurence Blum, 2013
Text von Beat Selz zur Ausstellung «Sun Session» in der Galerie Selz, Oktober 2013
Karin Aeschlimann «SUN SESSION»
Die Konventionen des Tafelbildes wurden verlassen zugunsten von Unabhängigkeitserklärungen auf frei flottierenden Tüchern und Papieren, die auch Flaggen künstlerischer Selbstbestimmung sein können. Die Realität soll nicht in einem Endpunkt verfestigt werden. <Mich interessieren die haptischen Möglichkeiten der Malerei – das Fliessen und Stehenbleiben der Farbe. Durch Falten, Tropfen, Schichten und Auswaschen, Drehen und Umdrehen entstehen Bilder, die manchmal wie ausgegraben wirken und sich leise von der Wand wegbewegen>. Dies hat mit der Entdeckung der <Fluidität kulturstiftender Praktiken>¹ zu tun, wo Performanz und Performativität die Zentrierung auf jede Form von Repräsentation relativiert. Aeschlimann ist in ihrer Lektüre des Diskurses über Kunst und Kunstforschung intuitiv auf essentielle Elemente desselben gestossen, wie dies der Aufgabe authentischer Kunstproduktion entspricht, die sich nicht vom <Markt> zu Kommunikation und Kommerz verleiten lässt. Dazu gehören auch die Bereitschaft zur <Dehermeneutisierung von Geist und Sinn>¹ und die <Erkenntnisdimension der Bildlichkeit>¹. Das Auge des Geistes ist nicht blind¹. Für die Architektur ihrer Arbeit findet die Künstlerin Inspiration in Rhythmus und Klang der Gedichte von Hölderlin:<Mit gelben Birnen hänget – Und voll mit wilden Rosen – Das Land in den See – Ihr holden Schwäne – Und trunken von Küssen – Tunkt ihr das Haupt – Ins heilignüchterne Wasser> – <Weh mir, wo nehm ich, wenn – Es Winter ist, die Blumen, und wo – Den Sonnenschein – Und Schatten der Erde? – Die Mauern stehn – Sprachlos und kalt, im Winde – Klirren die Fahnen>.
Die Kunst von Karin Aeschlimann illustiriert, dass man sich die Welt ausserhalb von Normen und Codes aneignen kann, aus Freude, an der Welt, an Champignons und Bäumen, als Beispiel, sich aus seinem Innern, aus dessen Notwendigkeit, dessen Aufgaben, konstruieren zu lernen, um aus der Geldlogik auszutreten, um die Frische von Geist und Seele, um die grosszügige Seite des Menschen, die sozialen Utopien, wiederzufinden.
Beat Selz, 13.3.2013
¹Krämer Sybille, Bredekamp Horst: <Bild – Schrift – Zahl>, Wilhelm Fink Verlag, 2003
«fine arts»
Karin Aeschlimann (*1981 in Samedan) untersucht mit ihren Malereien dieverschiedenen Wege, welche die Malerei einschlagen kann. Sie hinterfragt gleichsam die Bedeutungszuweisungen der unterschiedlichen Erscheinungsformen der Malerei. Dabei experimentiert die Künstlerin mit diversen Trägermaterialien und Farben, ebenso wie mit Farbaufträgen. Manche der gemalten Bilder werden gerahmt, andere wiederum sind ohne Rahmen lose an der Wand gehängt. Während die Bilder mit Keilrahmen meist als vollendete Bilder betrachtet werden, werden die Bilder ohne Rahmen als unfertige Experimente gesehen, deren Zuordnung in die Kategorie „Handwerk“ nur allzu schnell über die Lippen kommt. Karin Aeschlimann will diese tradierte Rezeption brechen und gängige Zuordnungen ins Wanken bringen.
Sabine Schaschl, Kunsthaus Baselland, 2010