Text von Beat Selz zur Ausstellung «Sun Session» in der Galerie Selz, Oktober 2013
Karin Aeschlimann «SUN SESSION»
Die Konventionen des Tafelbildes wurden verlassen zugunsten von Unabhängigkeitserklärungen auf frei flottierenden Tüchern und Papieren, die auch Flaggen künstlerischer Selbstbestimmung sein können. Die Realität soll nicht in einem Endpunkt verfestigt werden. <Mich interessieren die haptischen Möglichkeiten der Malerei – das Fliessen und Stehenbleiben der Farbe. Durch Falten, Tropfen, Schichten und Auswaschen, Drehen und Umdrehen entstehen Bilder, die manchmal wie ausgegraben wirken und sich leise von der Wand wegbewegen>. Dies hat mit der Entdeckung der <Fluidität kulturstiftender Praktiken>¹ zu tun, wo Performanz und Performativität die Zentrierung auf jede Form von Repräsentation relativiert. Aeschlimann ist in ihrer Lektüre des Diskurses über Kunst und Kunstforschung intuitiv auf essentielle Elemente desselben gestossen, wie dies der Aufgabe authentischer Kunstproduktion entspricht, die sich nicht vom <Markt> zu Kommunikation und Kommerz verleiten lässt. Dazu gehören auch die Bereitschaft zur <Dehermeneutisierung von Geist und Sinn>¹ und die <Erkenntnisdimension der Bildlichkeit>¹. Das Auge des Geistes ist nicht blind¹. Für die Architektur ihrer Arbeit findet die Künstlerin Inspiration in Rhythmus und Klang der Gedichte von Hölderlin:<Mit gelben Birnen hänget – Und voll mit wilden Rosen – Das Land in den See – Ihr holden Schwäne – Und trunken von Küssen – Tunkt ihr das Haupt – Ins heilignüchterne Wasser> – <Weh mir, wo nehm ich, wenn – Es Winter ist, die Blumen, und wo – Den Sonnenschein – Und Schatten der Erde? – Die Mauern stehn – Sprachlos und kalt, im Winde – Klirren die Fahnen>.
Die Kunst von Karin Aeschlimann illustiriert, dass man sich die Welt ausserhalb von Normen und Codes aneignen kann, aus Freude, an der Welt, an Champignons und Bäumen, als Beispiel, sich aus seinem Innern, aus dessen Notwendigkeit, dessen Aufgaben, konstruieren zu lernen, um aus der Geldlogik auszutreten, um die Frische von Geist und Seele, um die grosszügige Seite des Menschen, die sozialen Utopien, wiederzufinden.
Beat Selz, 13.3.2013
¹Krämer Sybille, Bredekamp Horst: <Bild – Schrift – Zahl>, Wilhelm Fink Verlag, 2003