Text von Thomas Keller zur Ausstellung «feldein», Kunstraum Florenz, Basel, 2014
Karin Aeschlimann - «feldein»
Ein Hauch einer Farbschicht, verschlungene Wege, helle Lichtungen - dunkle Abgründe - und viel dazwischen. Die Arbeiten der Malerei von Karin Aeschlimann hängen an der Wand - und doch auch nicht. Sie sind im Raum und formen ihn zugleich - sie gehen weit über den Bildrand hinaus und fordern auf, einzutreten. Karin Aeschlimann malt mit Acryl und Gouache oder auch mal mit chinesischer Tusche auf der rohen, unbearbeiteten Leinwand - direkt auf dem Leintuch. Ein abstrakter Ausdruck, der sich ständig erweitert: in früheren Werken sind es mehr Farben und Flächen, die sich zudem verstärkt symmetrisch aufeinander beziehen. In späteren und vor allem aktuellen Arbeiten wird die Handschrift zunehmend radikaler. Farben werden weniger, manchmal bestehen nur noch schwarze Elemente auf dem weissen/beigen Hintergrund der Leinen - die Formen sind reduzierter, es entsteht ein erweiterter Raum - in vielschichtigen, scharfen Kontrasten - die Strukturmotive treten in den Vordergrund, zum Teil nur noch einzelne Fraktal-Elemente - sonst nichts. Hinzu kommt, dass die Symmetrien langsam verschwinden. Die letzte narrative Grösse - die Symmetrie selbst - wurde von Aeschlimann langsam aufgegeben - und reduziert auf minimalste, grundlegendste Strukturen: nie abgeschlossene Strukturen des Lebendigen in ihren visuell-vielschichtigen Verdichtungen eröffnen einen neuen experimentellen Raum. Ganz unerwartet und überraschend kann aber auch jederzeit ein Richtungswechsel der Radikalität ihrer Handschrift hin zum gegenüberliegenden Pol eine nächste Phase einläuten - eine ständige Bewegung - ein ständiges Werden. Falten und unterschiedliche Texturen der Leinenoberfläche bilden eine zentrale Ausgangslage im Prozess ihres Schaffens. Das Experimentieren mit dem Leinen-Material selbst verfolgt Aeschlimann schon lange - undesverstärkt schon auf der physischen Ebene den räumlichen Anspruch ihrer Arbeiten. Diese physische Tiefe erweitert die ästhetische Dimension von Räumlichkeit, die in ihren Werken herausfordert - und zur Immersion einlädt. In der Werkschau von Karin Aeschlimann setzen wir den Schwerpunkt auf ihr aktuelles Schaffen - hauptsächlich werden neue, noch nie gezeigte Werke präsentiert. Ihre zunehmend kompromisslosere abstrakte Ausdrucksweise bündelt sich in filigranen Falten und Schatten, zerrissenen Farbschichten und Leintuch-Fetzen, minimalsten Farbaufträgen und spannungsgeladenen Kontrasten, über- und ineinander geschichteten Strukturen - kurzum in einer Form von Raum, auf die man gespannt sein kann.
Thomas Keller, 2014