Die Skulpturen und Installationen Sven-Julien Kanclerskis (SJK) können durch ihre Alltagskultur-referenzierende Formgebung, in den BetrachterInnen die assoziative Lust am (Wieder-)Sehen entfachen. Anlehnungen an handelsübliche Gegenstände finden sich in den hybriden Formen seiner Objekte und Ensembles wieder. SJK deutet mit seinen Arbeiten eine dem Kulturkapitalis- mus immanente Dialektik an, die Prozesse des Begehrens und der Fetischisierung sowohl als eine Abhängigkeit als auch einen grundlegenden Mechanismus der Kulturproduktion beschreibt: Ich, als KonsumentIn, begehre Produkte von ProduzentInnen, die wiederum mein Begehren begehren, um ihre Produkte für die KonsumentInnen begehrt zu machen.
In aktuellen Erzählungen der Moderne, wie sie beispielsweise der Kulturtheoretiker Hartmut Böhme anstimmt, haben Fetische und Fetischisierungsprozesse nicht nur einen festen Platz in der Gesellschaft; ohne die fetischistischen Verhaltensmuster der KonsumentInnen würden ökonomische und politische Systeme gar nicht erst funktionieren. Fetische der Massenkultur, wie Au- tos, Mode, Popstars und Spielzeug, aber auch einfache Symbole und Zeichen sind, mit Jacques Lacan gedacht, Projektionsflä- chen unserer libidinösen Fantasien geworden und können daher im Umkehrschluss als der Versuch verstanden werden, unsere innersten Träume zu verwirklichen.
Als übersteigerte Form der Fetische lassen sich, auf Walter Benjamin aufbauend, die Kunstwerke bezeichnen, zu deren ein- nehmender Kraft die Aura des Besonderen hinzukommt. Das war zumindest so, bis die Massenproduktion immens wurde und Marcel Duchamp die Konzeptkunst erfand.
Heute, so würde ich mit Bezug auf SJKs Arbeiten behaupten, ist es nicht mehr die Aura des Einzigartigen, sondern die Aura des Reproduzierten, die die Wiedererkennung implizit trägt. Dieser Effekt der Mythenbildung ist mittlerweile so mächtig, dass es reicht, auch nur ein kleines Teil – einen Ton, eine Silbe, einen Ausschnitt, ein Sample – aus einem Ganzen herauszunehmen, um Erinnerungen anzuregen und aus dem Unbewussten hervorzulocken. Diese Aura der Wiederholung ist es, die die metony- mische Kraft freischaltet, die Roland Barthes so treffend am Beispiel der analogen Fotografie beschrieben hatte: Das subjektive Wieder-Sehen bzw. Wiedererkennen von Symbolen, Formen und Farben der Massenkultur, visuelle Eindrücke, die im kollek- tiven Gedächtnis einer Gesellschaft verankert sind – das Pop-punctum. Das Pop-punctum ist sowohl metonymische als auch auratische Kraft eines „Dinges“. Kanclerski schafft Objekte, die vertraut und fremd zugleich wirken, die ebenbürtig gewohnt und einzigartig sind.
Als BetrachterIn fühle ich mich direkt angesprochen, angetippt, angemacht: Um die Wirkung zu spüren, kommt es gerade nicht auf eine vollkommene Form an, es genügt, kleine Fragmente, Bauteile und Spuren herauszulösen – die Lust am Gewohnten bleibt. Sie wird sogar gesteigert und entwickelt sich weiter zu einer Lust, auch im Besonderen das Gewohnte wiedererkennen zu wollen. SJK scheint ebendiese Effekte des Waren-Fetischismus bewusst in den Entstehungsprozess seiner Objekte einfließen zu lassen. Dafür nutzt er die künstlerischen Strategien des Großskalierens, der Hybridisierung und der materiellen Veredelung. Auch wenn SJKs Arbeiten Funktionen andeuten und teilweise sogar nützlich und brauchbar erscheinen, liegt das nicht etwa an der tatsächlichen Funktionstüchtigkeit der Objekte, sondern am Zauber der populären Formen.
Felix Koberstein, Kunstwissenschaftler
Er arbeitete als kuratorische Assistenz im Heidelberger Kunstverein und ist momentan als wissenschaftlicher Volontär im Hertz-Labor des ZKM I Zentrum für Kunst und Medien Karlsruhe tätig.