Ein jeder Mensch, der wert ein Mensch zu sein,
Fühlt tief im Herzen eine Schlange wohnen,
Sie lebt und herrscht da wie auf Königsthronen,
Und sagt er: »Ja, ich will!«, so sagt sie: »Nein!«
Senkt er die Blicke voller Glut und Sehnen
Tief in der Nixen Augen, der Sirenen,
So spricht der Natter Zahn: »Gedenk der Pflicht!«
Erzeugt er Kinder oder pflanzt er Bäume,
Schafft er aus Worten oder Marmor Träume,
»Lebst du heut abend noch?« die Schlange spricht.
Was auch der Mensch erhoffen mag und planen.
Kein Augenblick an ihm vorüberschwingt,
In dem nicht quälend an sein Denken dringt
Der giftigen Schlange unerträglich Mahnen.
L'Avertisseur
Tout homme digne de ce nom
A dans le coeur un Serpent jaune,
Installé comme sur un trône,
Qui, s'il dit: «Je veux,» répond: «Non!»
Plonge tes yeux dans les yeux fixes
Des Satyresses ou des Nixes,
La Dent dit: «Pense à ton devoir!»
Fais des enfants, plante des arbres,
Polis des vers, sculpte des marbres,
La Dent dit: «Vivras-tu ce soir?»
Quoi qu'il ébauche ou qu'il espère,
L'homme ne vit pas un moment
Sans subir l'avertissement
De l'insupportable Vipère.
Betrachte sie, mein Herz; furchtbar zu sehn.
Wenn sie, fast lächerlich, wie Puppen schreiten
Und gleich Nachtwandlern seltsam vorwärts gleiten,
Lichtlose Kugeln, ach wonach nur? drehn.
Die Äugen, drin erlosch der Götterfunken,
Sind starr zum fernen Himmel hingelenkt,
Nie siehst du erdwärts ihren Blick gesenkt,
Nie auf die Brust ihr träumend Haupt gesunken.
So ziehn sie durch ein weites, schwarzes Land,
Das ewigem Schweigen brüderlich verwandt.
O Stadt, indes du unter Lachen, Toben
Voll Gier nach Lust und Taumel bist entbrannt,
Schleich ich wie jene, ärmer an Verstand,
Und frag': Was suchen sie am Himmel droben?
Les Aveugles
Contemple-les, mon âme; ils sont vraiment affreux!
Pareils aux mannequins; vaguement ridicules;
Terribles, singuliers comme les somnambules;
Dardant on ne sait où leurs globes ténébreux.
Leurs yeux, d'où la divine étincelle est partie,
Comme s'ils regardaient au loin, restent levés
Au ciel; on ne les voit jamais vers les pavés
Pencher rêveusement leur tête appesantie.
Ils traversent ainsi le noir illimité,
Ce frère du silence éternel. Ô cité!
Pendant qu'autour de nous tu chantes, ris et beugles,
Eprise du plaisir jusqu'à l'atrocité,
Vois! je me traîne aussi! mais, plus qu'eux hébété,
Je dis: Que cherchent-ils au Ciel, tous ces aveugles?
Aus der natur belebten tempelbaun
Oft unverständlich wirre worte weichen ·
Dort geht der mensch durch einen wald von zeichen
Die mit vertrauten blicken ihn beschaun.
In tiefer finsterer geselligkeit ·
Weit wie die nacht und wie die helligkeit
Parfüme färben töne rede tauschen.
Parfüme giebt es frisch wie kinderwangen
Und andre die verderbt und siegreich prangen
Mit einem hauch von unbegrenzten dingen ·
Wie ambra moschus und geweihter qualm
Die die Verzückung unsrer seelen singen.
Der Feind
Mein Kinderland war voll Gewittertagen,
Nur selten hat die Sonne mich gestreift,
Und so viel Bluten hat der Blitz zerschlagen,
Dass wenig Früchte nur mein Garten reift.
Nun kommt der Herbst, – ich muss zur Harke greifen,
Die Erde sammeln, die verwüstet schlief,
In die der Regen Risse grub und Streifen
Und manche Holde wie ein Grab so tief.
Doch ob den Blumen, die erhofft mein Träumen,
In dieses wild zerwühlten Ackers Räumen
Die Wundernahrung wird voll Glut und Kraft?
O Schmerz! die Zeit trinkt unsren Lebenssaft,
Der dunkle Feind, der uns am Herzen zehrt
Und sich von unsrem Blute stärkt und mehrt!
Das frühere Leben
Ich wohnte lang in weiter Hallen Schweigen,
Die abends in der Meeressonne Glut
Sich stolz erheben und zur blauen FlutDas Schiffsvolk einen Albatros ergreift,
Den grossen Vogel, der in lässigen Flügen
Dem Schiffe folgt, das durch die Wogen streift.
Doch, – kaum gefangen in des Fahrzeugs Engen
Der stolze König in der Lüfte Reich,
Lässt traurig seine mächtigen Flügel hängen,
Die, ungeschickten, langen Rudern gleich,
Nun matt und jämmerlich am Boden schleifen.
Wie ist der stolze Vogel nun so zahm!
Sie necken ihn mit ihren Tabakspfeifen,
Verspotten seinen Gang, der schwach und lahm.
Der Dichter gleicht dem Wolkenfürsten droben,
Er lacht des Schützen hoch im Sturmeswehn;
Doch unten in des Volkes frechem Toben
Verhindern mächt'ge Flügel ihn am Gehn.
Im hohlen Blick les' ich die nächtgen Qualen,
Und muss den Wahnsinn und den Schreck, den fahlen
Im stummen, angstgequälten Antlitz sehn.
Gossen sie Lieb' und Furcht aus ihren Schalen,
Die grünen Zwerge und die rosigen Feen?
Hat dich der Alb gepackt mit eisigem Wehn
Und dich erstickt in wilden Zauber quälen?
Ich wollt', dein Atem wäre stets voll Kraft,
Dass er nur starker Dinge Abbild schafft!
Des Blutes Rauschen rhythmischer Gesang,
Wie er in jenen alten Zeiten klang,
Als Phöbus und der grosse Pan regierten,
Des Liedes Vater und der Gott der Hirten.